Der Grundstein für mein schleichendes Suchtverhalten, wie Essen oder Hungern führte bei mir früh, wenn aber erst spät erkannt, zur Bulimie. Auslöser war eine mütterlicherseits, nazistisch, manipulierende und abstrafende Erziehung, mit der ich groß wurde. Die Erziehung hatte bei mir schon in jungen Jahren ein massives Essproblem hervorgerufen und führte unweigerlich und ungewollt in vielen Bereichen meines Lebens zum schwarz-weiß, entweder- oder denken und vielen Ängsten. Schwarz-weiß denken kennt keine Graustufen und verhält sich im Vergleich wie Leistung zu Schwäche, Triumph zu Niederlage, Liebe zu Hass, Macht zu Unterwerfung, Kampf zu Resignation, Vertrauen zu Misstrauen. Das „entweder oder denken und immer unbewusst danach zu handeln, war permanent an nicht erfüllbare Bedingungen geknüpft und führte zu unterschiedlichen CO-Abhängigkeiten in Beziehungen, welche sich natürlich schon im Kindesalter auf mein körperliches, seelisches Befinden, meine normale Entwicklung in zwischenmenschlichen Bereichen und als Erwachsener in der Selbstverwirklichung, negativ auswirkten. Egal was ich auch tat, wie sehr ich mich anstrengte, ich reichte meiner Familie irgendwie nie und irgendwann reichte ich mir selbst nicht und versteckte mich hinter Süchten.
Irgendwann bemerkte ich, dass mein Glas im Sport, gefühlt niemals voll wird. Selbst dann nicht, wenn ich ein schwieriges Ziel erreicht hatte und eigentlich zufrieden sein durfte. Dann mussten schwierigere Ziele her, und so war es mit allen anderen Dingen. Eigentlich ist es gut und mental wichtig, sich immer neue Ziele zu stecken, doch als bestimmte Ziele zur Sucht wurden, verlor ich schleichend die Freude, da alles aus einem inneren Druck heraus entstand. Es war der innere Zwang mit allen mithalten zu müssen, ob im Job oder im Sport, da ich als Kind beigebracht bekam, trotz körperlicher Erschöpfung alles zu Ende bringen zu müssen, da sonst Abstrafung und Ausgrenzung folgte.
Ich habe im Kindeshalter durch meinen Leistungssport im Außen sehr viel mentale Unterstützung, Menschlichkeit, Anerkennung und Aufmerksamkeit erhalten und wurde von den Trainern früh gefördert. Doch durch eine „wenn nicht dann“ Erziehung im Elternhaus wurde ich bei nicht erfüllten Aufgaben, mit Ablehnung, Missachtung und massiven Verboten wie Sportverbot abgestraft. Da Sport meine größte und liebste Ressource war, entwickelte ich schnell und schleichend einen Perfektionismus, setzte mich aus Angst zu versagen, massiv unter Druck, um dem Sportverbot zu entgehen.
Mit dieser Erziehung wurde mein Suchtverhalten im Sport und für die Arbeitswelt schon im Alter von 7 Jahren gelegt, denn ich wollte schließlich nicht abgelehnt, ausgelacht oder abgestraft werden, sondern sehnte mich nach Zugehörigkeit, die mir früher nur unter größter Arbeitslast und Anpassung innerhalb der Familie zuteil wurde. All das führte unweigerlich zu körperlichen, seelischen und zwischenmenschlichen Problemen in Freundschaften, in Jobs, Teams und zu einer extrem angepassten, zurückhaltenden oder rebellischen Lebensweise. Schließlich hatte mein Gehirn die Erziehungsmuster manipulierend und abstrafend abgespeichert und es war sich sicher, nur so überleben zu können.
Ich war mein halbes Leben lang süchtig nach Liebe, Anerkennung, Sport, Perfektionismus, Arbeit, Zugehörigkeit und suchte das Verständnis und die Aufmerksamkeit im Außen, anstatt auf meinen Körper zu hören und nach innen zu schauen. Ich war durch die unterschiedlichen Süchte auf der Suche nach mir selbst, nach Äußeren aber vor allem nach Inneren Grenzen, da ich mich später ohne Leistungssport leer fühlte. Durch den Sport konnte ich mich spüren und er gab mir ein Gefühl von Freiheit, Ungebundenheit und Lebendigkeit, was mir ohne Sport nicht möglich war zu fühlen. Mich körperlich nicht spüren zu können, hatte zur Folge, dass ich meine innere Leere mit anderen, unterschiedlichen Süchten kompensierte, wie das Essen, und eine lange Zeit wie ein Junkey nur Fastfood zu mir nahm um dann innerhalb kürzester Zeit durch hungern, Verzicht und Leistungssport in nur 10 Wochen 15 kg wieder abzunehmen. Ich war ständig auf der schwarz-weiß, entweder oder Seite. Doch irgendwann kam ich mit Mitte Vierzig durch unterschiedliche Unfälle, Krankheiten und meiner Arbeitssucht an meine körperlichen, mentalen und seelischen Grenzen und mein Körper funktionierte nicht mehr.
Der Umgang mit mir selbst, meinem Körper, meinem Geist, meinen seelischen Bedürfnissen, meinen negativen Glaubenssätzen, wird immer eines der zentralsten Themen in meiner Biografie-Arbeit und zugleich die anspruchsvollste sein. Meine Süchte wollten verstanden werden und durch tägliche Achtsamkeit und ehrliche Akzeptanz ersetzt werden und genau diese Entwicklung möchte ich hier mit Dir teilen.